Digitalisierung für KMU – Teil 1

Von: Ralf Trapp, 15.06.2020 

Optimierung von Abläufen/Prozesse werden oft mit Digitalisierung in Verbindung gebracht oder sogar gleichgesetzt. Grund genug, um diesem Thema näher auf den Grund zu gehen. 

Werfen wir einen Blick darauf, was Digitalisierung beziehungsweise Digitale Transformation für mittelständische Unternehmen im praktischen Einsatz bedeuten kann.

Begrifflichkeit

Fun-Fact: Im ursprünglichen Wortsinne bedeutet «Digitalisierung» die Behandlung eines Menschen oder Warmblüters mit Digitalis. Nachzulesen auf Wikipedia. Um diese Bedeutung des Wortes müssen wir uns hier nicht kümmern.

Die ursprüngliche Bedeutung im Zusammenhang mit Computern klingt schon interessanter, nämlich:

Umwandlung von analogen Daten in digitale Daten

Das ist schon näher an dem, was vermutlich die meisten von uns darunter verstehen. Demzufolge wäre das Einscannen eines erhaltenen Faxes bereits «Digitalisierung». 

Aber das reicht noch nicht.  Justieren wir die Formulierung:

Optimierung von bisher analogen Verfahren durch die Nutzung von Digitaltechnik 

Mit dieser vorläufigen Definition können wir zunächst arbeiten.

Digitalisierung vs. Digitale Transformation vs. Digitale Evolution

Digitale Transformation in diesem Zusammenhang ist ein irreführender Begriff. Denn es handelt sich um keine Transformation im engen Sinne, die einen Anfang und ein Ende hat. 

Was wir heutzutage darunter verstehen ist das permanente Anpassen an sich verändernde Bedingungen und eine sich verändernde Umwelt.  Es gibt daher kein «Anfang und Ende». Ein treffenderer Begriff für die Anwendung in KMU wäre daher «Digitale Evolution». 

Im Folgenden werden die drei Begriffe als Synonyme im Sinne von «Digitale Evolution» gebraucht

Digitalisierungs-Wahnsinn

Gehen wir zurück zum Fax-Beispiel: Wenn das Fax gescannt und per E-Mail weiterverschickt wird, anstatt es per Hauspost auf dem Papierweg zu verteilen, dann wäre das in unserer letzten Definition schon «Digitalisierung».

Wenn wir uns das Fax-Beispiel einmal näher anschauen, erkennen wir welcher digital-analog-Wahnsinn hinter unpassenden Ansätzen von Digitalisierung stecken kann:

  1. Ein Dokument wird mit dem Computer, also ‘digital’, gestaltet
  2. Dann gedruckt, also analogisiert
  3. Danach per Fax versendet. Das Fax digitalisiert den Ausdruck, schickt ihn über die Leitung. 
  4. Je nach Faxgeneration wird die Übertragung der digitalen Daten über akustische Signale, also analog durchgeführt und am anderen Ende digitalisiert
  5. Das empfangende Fax analogisiert ihn wieder per Ausdruck
  6. Danach wird das Fax gescannt, also wieder digitalisiert und per E-Mail versendet
  7. Möglicherweise wird die erhaltene E-Mail dann wieder ausgedruckt

Ablaufketten ähnlich wie diese existieren in real existierenden Unternehmen. Meist werden sich keine Gedanken mehr darüber gemacht, weil sich alle Beteiligten daran gewöhnt haben. Eine nähere Betrachtung mit ungetrübtem Blick auf existierende Abläufe lohnt sich oft.

Falls du dich gerade bei einem «Oha, bei mir gibt es Ähnliches» erwischt hast, stelle dir einige Fragen:

  • Wenn ich in meinem Unternehmen solche Abläufe habe, wie viel Arbeitszeit wird täglich unproduktiv verwendet?
  • Sind solche Verfahren noch zeitgemäss? 
  • Werde ich mit solchen Verfahren die passenden Mitarbeiter finden und halten können, um mein Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten?
  • Habe ich in der aktuellen Pandemie-Situation Schwierigkeiten bekommen, weil ich Abläufe und Prozesse noch nicht digitalisiert habe?

Nachtrag, 15.8.2020. Ein Fundstück, das uns wunderbar zeigt, wie es nicht geht. Es bleibt dir überlassen, ob du weinst oder lachst.

Quelle: https://twitter.com/ApothekerDer/status/1116677649584332801

Digitalisierung sinnvoll und produktiv einsetzen

Die erste Frage zielt offensichtlich primär auf Effizienz ab. Positiv formuliert:  Angenommen, wir schaffen es, unproduktive Verfahren unter Zuhilfenahme digitaler Techniken zu verschlanken und zu optimieren und Abläufe flüssiger sowie fehlerfreier zu gestalten? Um wie viel würde dann die Effizienz deiner Unternehmung verbessert, Abläufe und Ablaufketten beschleunigt und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert? Wie viele Mitarbeitende könnten von solchen Arbeiten entlastet werden und sich spannenderen und ertragreicheren Aufgaben widmen?

Nun höre ich einige Patrons und Patroninnen sagen: «Nur weil bei uns nicht alles zeitgemäss sind, ist das noch lange kein Grund alles umzukrempeln.» oder «Ich muss doch nicht auf jeden neuen Trend aufspringen» oder «Das haben wir schon immer so gemacht» oder «Die Berater-Fuzzis wollen mir nur was aufschwatzen, was ich nicht brauche» oder «Läuft doch! Warum sollte ich etwas ändern?». 

Stimmt alles! Gegen solche Argumente ist überhaupt nichts einzuwenden. Im jetzt und hier. In die Zukunft geblickt sieht es mit einer Haltung wie dieser allerdings sehr düster aus. Unternehmen, die nicht zeitgemäss denken, werden leiden weil andere Unternehmen genau das tun und ihnen den Rang ablaufen. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Möglicherweise passiert dies nicht heute oder morgen. Aber es passiert sicher übermorgen. Einst ganz grosse Unternehmen wie zum Beispiel Nokia, Agfa, Kodak oder Quelle haben vorgemacht, wie man es nicht tun sollte. Ihnen allen gemein: Sie haben die Macht des Neuen unterschätzt – und sind untergegangen.

Ausblick auf Teil 2

Kommenden Montag geht’s weiter mit den Themen

  • Mitarbeiter gewinnen
  • Digitalisierung zeitgemäss und modern
  • Die Vergangenheit im Blick haben

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